Liebe Groß-Partwitzer aus aller Welt,
Sie stellen mit dem Partwitz-Treffen jedes Jahr unter Beweis: Ihre Gemeinschaft ist lebendig, und es ist eine Freude, als Gast mit dabei sein zu dürfen!
Im Namen des Domowina-Regionalverbandes Hoyerswerda, seiner 800 Mitglieder in 20 Vereinen und Gruppen wünsche ich Ihnen heute anlässlich der Erinnerung an das Ende von Groß Partwitz vor 50 Jahren: Möge hier in 21 Jahren das 50. Partwitz-Treffen stattfinden! Deshalb ist es ganz wichtig: Bleiben Sie gesund und halten Sie weiter so schön zusammen!
Das Dorf Parcow, wie es sorbisch hieß, wurde zwar erst vom Tagebau verschluckt und danach vom See. Aber dank Ihres großen Engagements lebt Ihre Gemeinschaft hier und heute in Klein Partwitz, das wir Bjezdowy nennen, bei schönstem Frühlingswetter weiter.
Ich als Auswärtiger brauche Ihnen, den Einheimischen, natürlich jetzt nicht mein angelesenes Wissen über Groß Partwitz vorzutragen. Sie kennen die Geschichte des Ortes am besten und haben mich, wofür ich dankbar bin, schon ein wenig in die historischen Schätze Ihrer Gemeinschaft eingeführt.
Herr Dieter Jordan hat mich ja schon vor Weihnachten letzten Jahres eingeladen; man sieht also, sehr geehrter Herr Rasper, die Organisation des Partwitz-Tages verläuft langfristig und generalstabsmäßig. Das ist eine gute Grundlage für die Zukunft Ihrer Zusammenkunft.
Wir freuen uns natürlich, dass Sie die Domowina eingeladen haben. Domowina bedeutet Heimat. Das Sorbische, die Sprache und die Kultur, gehört zum Fundament der Heimat in unserer Region. Und es ist schön, dass Sie an das Sorbische denken und die sorbische Gemeinschaft an Ihrem Partwitz-Treffen ganz offiziell teilhaben lassen.
Ich bin mit meiner Frau oft im Lausitzer Seenland mit dem Fahrrad unterwegs. Unter den Seen liegen die früheren sorbischen Dörfer. Es wäre schön, wenn die Menschen, die an und auf den Seen unterwegs sind, sehen könnten, wo diese Dörfer einst ihren Bewohnern Heimat gaben. Das könnte zum Beispiel mit Bojen geschehen und wäre Ausdruck des Respekts vor dem Leben damals, ohne das es uns alle heute gar nicht geben würde. Gerne unterstützen wir als Regionalverband den Wunsch nach solchen schwimmenden Markierungen, so teuer kann das ja nicht sein.
Der Regionalverband der Domowina ist nach dem evangelischen Pfarrer Handrij Zejler benannt, der in Lohsa wirkte. Und es ist daher ein wirklicher Segen, dass wir heute den Gottesdienst mit einem evangelischen Pfarrer feiern durften, dem Superintendenten im – nun, ja, Ruhestand kann man das ja wohl nicht nennen, was Sie so machen, sehr geehrter Herr Pfarrer Vogel. Auch Sie haben schon, wie Handrij Zejler, auf Ihre Weise Geschichte geschrieben.
Aus sorbischer Perspektive ist die Geschichte von Groß Partwitz so wie die der meisten anderen Dörfer auch. Es gab Pfarrer, die es mit den Sorben gut meinten, und es gab auch einen Lehrer, der Kinder schlug, weil sie sorbisch sprachen. Heute unvorstellbar, wo wir mit dem „Witaj-Projekt“ in vielen Kindergärten der Region den Kleinsten wieder das Sorbische beibringen – zur Freude der Eltern, die selbst kein sorbisch können. Und ich konnte mich bei der Vogelhochzeit des Kindergartens in Schwarzkollm davon überzeugen, wie das Sorbische wieder gelebt wird.
Die Domowina hatte in Parcow bei der Neugründung 1945 sage und schreibe 70 Mitglieder. Als der Tagebau den Ortskern erreichte, gab es noch 21 Frauen, die in sorbischer Tracht gingen. Knapp 15 Jahre zuvor wurden hier 200 der sorbischen Sprache kundige Menschen gezählt. Bis zum Ende der Tage von Groß Partwitz hielt sich der sorbische Brauch des Zamperns.
Wir sind ja hier in Sachsen. So gerade eben. Aber eigentlich spielt die Landesgrenze für uns Sorben keine Rolle. Unser Regionalverband gehört eigentlich zum obersorbischen Sprachraum. Aber wir haben mehrere Dörfer auf unserem Territorium, die sich dem Niedersorbischen verbunden fühlen. Und so nimmt es nicht wunder, dass der bedeutendste Vertreter der niedersorbischen Literatur um die Mitte des 19. Jahrhunderts, Kito Fryco Stempel, in Groß Partwitz geboren wurde.
Beim Vorgespräch mit Herrn Jordan habe ich gesagt: Wir sind es ja gewohnt, zu feierlichen Anlässen Blumen mitzubringen. Aber wenn ich an einem Gedenkort mit Blumen erscheine, sieht das aus wie eine Beerdigung. Wir waren uns einig: Das wäre völlig unpassend. Denn wir haben ja heute keine Trauerfeier.
Sie kennen ja auch sicher das aus dem Sorbischen kommende Sprichwort: „Gott hat die Lausitz geschaffen, aber der Teufel die Kohle darunter.“ Das klingt schlüssig, aber die Welt ist ein bisschen komplexer als unsere schönsten Sprüche. Auch viele Sorben haben in und mit der Kohle gelebt, nicht zuletzt aus dem Grund, den Bürgermeister Koark bereits genannt hat: Der Sandboden war für die Landwirtschaft nicht sehr ertragreich. Und auch wenn die Kohle nicht wäre und Groß Partwitz immer noch am angestammten Platz stünde, würde dort heute vermutlich keine Frau mehr in sorbischer Tracht gehen – und wahrscheinlich auch nicht mehr viele Menschen sorbisch sprechen.
Meine Oma sagte immer gern: Das Leben ist ein ewiges Kommen und Gehen. Es gab eine Zeit, da ging das Sorbische, und zurzeit kommt es wieder. Damals erschien es nicht mehr modern, nun in der Epoche der Rückbesinnung auf die Verwurzelung im Regionalen ist es wieder anerkannt und geschätzt. Wir waren gestern auf einem Jazz-Abend in Zeißig, der junge Sänger kündigte seine nächsten Alben an: auf Englisch, deutsch und in erzgebirgischer Mundart. Und sagte, dass ihm das Mundart-Album das Wichtigste ist. So sieht der Trend der Zeit aus!
Unser sorbisches Leben wird natürlich in zwanzig Jahren nicht so sein wie 1950. Die Welt hat sich weitergedreht, und auch die Sorben gehen mit der Zeit, und sie sollen es auch, wie schon Handrij Zejler überzeugt gewesen ist.
Sorben haben schon immer Höchstleistungen zu unserer gemeinsamen Gesellschaft beigesteuert. Auch die aus Groß Partwitz. Zum Beispiel der Spitzen-Abiturient des Jahrgangs 1960 Dieter Krawc. Seine Leistung ist in der Zeitschrift „Chorhoj měra”, Fahne des Friedens, Wochenzeitung der FDJ für die sorbische Jugend festgehalten.
(Übergabe des gerahmten Beitrages an den damaligen 1,0-Abiturienten der Erweiterten Oberschule in Kleinwelka)
Ja so jara wjeselu, zo sće Wy hižo hako hólčec telko wažneje wědy nahromadźił. Serbski lud móže na Was hordy być. Wosebje pak so wjeselimy, zo sće serbskim naležnosćam hač do dźensnišeho w swojej nowej domiznje kruće zwjazany. W nadawku zhromadźizny wobydlerjow Parcowa směm Wam tu składnostnje 29. zetkanja nastawk časopisa “Chorhoj měra” přepodać. Wostańće strowy a serbskemu ludu swěrny – wutrobny dźak a zapłać Bóh za wšo!
Ich denke, die Szene spricht für sich und bedarf keiner Übersetzung. Zugleich darf ich Hernn Buder für seine Recherchen danken, die diesen Artikel aus dem Archiv zutage gefördert haben.
Gehen wir gemeinsam mit der Zeit und halten wir zusammen. Dann wird Groß Partwitz weiter leben in den Herzen seiner früheren Einwohner, ihrer Kinder, Enkel und Urenkel und aller Ihrer Freunde nah und fern. Im sorbischen Kernland, in Crostwitz, stehen die Sätze: Běchmy, smy, budźemy. Wir waren, wird sind und wir werden sein.
In diesem Sinne: Feiern Sie diesen Tag, Sie haben es sich verdient.
Dankeschön!
(Grußwort von Marcel Braumann, Vorsitzender des Domowina-Regionalverbandes Hoyerswerda, beim 29. Partwitz-Treffen, 6. April 2019, am Denkmal für Groß Partwitz in Klein Partwitz, das zur Gemeinde Elsterheide gehört, 50 Jahre nach der Abbaggerung des Dorfes. An dem Treffen haben über hundert Menschen teilgenommen.)
