Meine diesjährige Osternacht habe ich in Schwarzkollm / Čorny Chołmc verbracht, um Anteil am tief bewegenden Auftritt der Ostersingerinnen zu nehmen: 16 Mädchen und junge Frauen, die sorbisch und deutsch Kirchenlieder singen. Sie stehen nach dem Gang durchs Dorf unter Beteiligung der Bevölkerung auch im Mittelpunkt der Andacht, die anschließend in der gut besuchten Dorfkirche stattfindet. Sogar Gäste aus der Schweiz sind extra angereist.
Im Spreewald hat sich die – in diesem Jahr ausgefallene – Tradition des wendischen Osterreitens entwickelt. Dabei versammeln sich Frauen und Männer in Zerkwitz/Cerkwica zum stillen Prozessionsreiten ohne Gesang. Auch dies eine wunderschöne Tradition, die überregional Beachtung findet: https://www.spreewald-info.de/ostern/osterreiten/ .
In der Oberlausitz wiederum sind dieses Jahr wieder 1.500 Osterreiter zur jeweils benachbarten katholischen Kirchgemeinde gezogen und haben singend die Botschaft von der Auferstehung Jesu Christi verkündet. Anders als unter den Corona-Bestimmungen 2021 konnten jetzt wieder viele Einheimische und Touristen den Prozessionen beiwohnen.
Nun wurde von einer Boulevardzeitung zu Ostern die „Revolution“ ausgerufen bzw. problematisiert, dass beim Oberlausitzer Osterreiten ausschließlich Männer und Burschen ab dem 14. Lebensjahr gefragt sind: https://www.bild.de/regional/dresden/dresden-aktuell/oster-revolution-jetzt-wollen-auch-die-sorbinnen-mitreiten-79789176.bild.html .
Als überzeugter Anhänger von Regionalisierung plädiere ich prinzipiell dafür, alle Grundsatzfragen aus lokaler Perspektive zu diskutieren. Es gibt ja kein Zentralkomitee alter weißer Männer, das dekretiert: beim (evangelischen) Ostersingen nur Frauen, beim (katholischen) Osterreiten nur Männer, und dort, wo nicht gesungen wird, dürfen alle Osterreiter*innen sein.
Ich weiß auch nicht, ob der Klang des Gesangs das wichtigste Argument für die Antwort auf die Frage ist, wer vor Ort mitwirkt. In Zerkwitz, wo unterwegs nicht gesungen wird, braucht das kein Thema zu sein. Hier entscheiden Frack, Zylinder und Pferd. Im Dreieck zwischen Kamenz/Kamjenc, Bautzen/Budyšin und Hoyerswerda/Wojerecy ist das kraftvolle Mitsingen der Kirchenlieder eine Bedingung für die – übrigens nicht nur katholischen – Mitreitenden.
Bei der abendlichen Oster-Auswertung in Crostwitz/Chrósćicy konnten sich selbst altgediente Osterreiter vorstellen, dass alle Geschlechter Osterreiter*innen sind. Dies wie alle anderen Sachen rund ums Osterreiten mögen aber bitte die Familien gemeinsam entscheiden, die vor Ort dieses religiöse Ritual jedes Jahr tatkräftig auf vielfältige Weise mittragen. Soviel Basisdemokratie muss schon sein, da haben keine Organisationen reinzureden.
Last but not least: Ich mag es persönlich nicht, wenn wir wechselseitig öffentlich über die Art und Weise herziehen, wie anderswo im Sorbenland Bräuche und Rituale gepflegt werden. Es steht ja jeder und jedem frei, beispielsweise in der mittleren Lausitz ein Osterreiten von Frauen und Männern mit gemeinsamem Gesang zu organisieren. Sozusagen als neues Angebot neben den bisherigen Formaten in der Ober- und Niederlausitz.
In diesem Sinne: Wjesołe jutry – frohe Ostern! Und na zasowidźenje – auf Wiedersehen 2023!
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