Als sorbischer Autonomie-Sachverständiger (s. passende Krawatte) kann ich natürlich nicht der Versuchung widerstehen, meinen (Bautzener) Senf
zum inhaftierten Herrn Puigdemont zu geben.
Eine friedliche Unabhängigkeitsbewegung ist kein Verbrechen. Wenn etwas gewisse Gewalttätigkeiten nun doch provoziert, ist es die Verhaftung eines demokratisch in freien, gleichen und geheimen Wahlen legitimierten Mannes – und das auch noch in Deutschland.
Ich halte das Streben nach einem Staat Katalonien für rückständig und falsch. Wir leben im Europa der Regionen, der entscheidende Fortschritt Richtung Frieden und sozialer Ausgleich auf dem ganzen Kontinent liegt in der Abrüstung der Nationalstaatlichkeiten des 19. Jahrhunderts. Nun im 21. Jahrhundert wieder mit der Gründung von Kleinstaaten loszulegen, ist – mit Verlaub – bescheuert.
ABER: So wie die Schotten frei entscheiden konnten, ob sie zu Großbritannien gehören und mehrheitlich gegen die Sezession votiert haben, ist es das gute Recht der Katalanen, darüber zu befinden, ob sie zu Spanien gehören wollen. Würde man sie in Ruhe und ungestört einfach abstimmen lassen, hätte vermutlich eine Mehrheit längst Nein zur Trennung von Spanien gesagt.
Spaniens dumpf-konservativer Premierminister Rajoy hat genau dies unter infernalischem Säbelrasseln und in der Diktion des 19. Jahrhunderts unterbunden. Dieser Mann ist der Hauptschuldige an dem ganzen katalanischen Desaster und gehört von der EU in die Schranken gewiesen. Dass das Thema „Unabhängigkeit Katalonien“ den Frieden bedrohen könnte, geht einzig und allein auf sein Konto. Siehe den Vergleich zu einer ebenfalls konservativen, aber klügeren Regierung in London.
Deshalb: Freiheit für Puigdemont! Er gehört auf freien Fuß. Undzwar so schnell wie möglich. Was Spanien betreibt, ist der Missbrauch des Europäischen Haftbefehls für politische Zwecke. Der Straftatbestand „Rebellion“ ist Mittelalter und existiert in Deutschland zu Recht nicht. Er hat auch nichts mit „Hochverrat“ zu tun. Oder so. Kein Staat hat in seiner aktuellen Gestalt eine Ewigkeitsgarantie. Das wäre auch schrecklich. Schließlich strebt doch der fortschrittliche Teil der Menschheit nicht nur zur klassenlosen, sondern auch zur staatenlosen Weltgesellschaft.
Es gibt nur ein neuzeitliches Dogma: Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verändert werden. Die Gewalt in der Katalonien-Frage ging aber von einer offenbar in imperialistischer Tradition und Denkweise verhafteten Zentralregierung aus.
Ich selbst bin ein Fan von Kulturautonomie-Modellen. Die Katalanen haben darüber hinaus bereits eine gewisse territoriale Autonomie. Die kann womöglich durch Verhandlungen noch verbessert werden. Wenn’s ihnen nicht reicht, müssen sie rausgehen dürfen – so wie die Briten aus der EU, in die sie vielleicht eines Tages auch wieder zurückkehren. Also: Zeigt Rajoy die Grenzen auf!