Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jens Spahn, hat also ein Problem damit, dass er in vielen Berliner Kneipen nicht mehr auf Deutsch bestellen kann. Als ich in Berlin wohnte, ist mir das noch nicht so aufgefallen, und wenn ich mich heute gelegentlich als Lausitzer Tourist in der Hauptstadt herumtreibe, ist mir das ehrlich gesagt wurst. Jedenfalls ist über die englisch sprechenden Kellner eine muntere Pro-und-Kontra-Debatte im Netz entbrannt
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-08/jens-spahn-cdu-hipster-restaurants-debatte
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/vor-ort-muss-man-in-berlin-englisch-sprechen-15169756.html
Der Rahmen ist mit den üblichen polarisierten Gegensätzen abgesteckt, die sich zurufen, von der einen Seite: Das ist doch alles ganz hip! Von der anderen: Ich fühle mich hier nicht mehr zuhause.
Ich hatte in der Schule einen Kumpel, der verdiente sich die laufenden Kosten seiner Touren quer durch Europa damit, dass er sich in jeder größeren Stadt mit seiner Gitarre an den Straßenrand setzte und dazu sang. Nach einer Stunde hatte er im Regelfall genug Kohle für den Tag zusammen. Wo er mit den Leuten nebenbei länger kommunizierte, dürfte das auf Englisch stattgefunden haben. So wie heute die internationalen Aushilfskräfte in Clubs oder kleinen Handwerksbetrieben.
Lustig finde ich die Spahn-Kontroverse aus sorbischer Perspektive. Wo können wir im Sorbenland auf sorbisch ein Bier bestellen? Oder die Einkäufe auf sorbisch tätigen? Oder mit Handwerkern die Ausführung ihrer Leistung auf sorbisch besprechen? Auch in Gegenden mit mehrheitlich sorbischen Muttersprachlern ist das immer ein bisschen Glücksache. Die eine Verkäuferin kann, die andere nicht; der Chef des Unternehmens ist Sorbe, der Kollege von irgendwoher zugezogen, und wenn man als Kunde mit ihnen darüber redet, was jener Kollege zu machen hat, dann, Herr Spahn, findet das wohl überwiegend nicht auf Sorbisch statt.
Nun finde ich es ja sowieso etwas skurril, wenn ein Staatssekretär, der – wie ich gelesen habe – für digitale Bankdienstleistungen zuständig ist, Aversionen gegen’s Englisch entwickelt. Mich führte 1995 ein AOL-Account erstmals ins Internet – vorwiegend englisch. Als ein deutscher Anbieter die „Homepage“ als „Heimatseite“ anbot, fand ich das schräg. Sie hat sich auch nie durchgesetzt. Gleichwohl schwimmen wir heute in einer deutschsprachigen Internet-Welt und mein E-Mail-Postfach begrüßt mich ausschließlich deutsch.
Will sagen: Das Leben ist eine Sinus-Kurve, es gibt Wellenbewegungen. Man kann auf ihnen surfen, ohne sich in den „Hipster“- oder „Identitäts“-Kasten einzumauern. Deshalb: Herr Spahn, herzlich willkommen in der Lausitz, knježe Spahno, witajće k nam do Łužicy! Dann erklären wir Ihnen mal, wie das geht, das Dasein in der postmodernen, globalisierten Sprach-Community. Das müssen Sie nämlich lernen, sonst geht noch die Prognose meines früheren Chefs Prof. Porsch, eines Germanisten (!), in Erfüllung, dass das Sorbische einmal das Deutsche überleben wird. Da Porsch humorbegabter gebürtiger Wiener ist, lassen wir hier unerforscht, wie ernst das gemeint war.
PS. Natürlich finde ich es angemessen, wenn sich jemand, der sich irgendwo dann dauerhaft niederlässt, bemüht, zumindest ein Grundgerüst an Alltagskommunikation in der Eingeborenen-Sprache aufzubauen. So wie die zugewanderten Deutschen in „Sorbistan“ – Mist, ganz blödes Beispiel für Sprachintegration, wechseln wir lieber das Thema und reden über Schwaben in Berlin, ne, auch daneben. Herrje, mein suchender Blick erreicht S. in Hoyerswerda: Wie viel sorbisch ein kurdischer Flüchtling aus Syrien kann, das könnten wir ja zeigen. Ich höre schon seine Antwort: „Jězusmarja, was ist los bei euch? Dobru nócku!“
Ich hätte nicht gedacht, dass man sich über Herrn Spahn so humorvoll amüsieren kann. Bei mir kann ich Hassgefühle leider nicht unterdrücken, wenn ich den im TV nur sehe oder höre. Aber ich bin genetisch ja auch mit den Angelsachsen verwandt und nicht sorbisch.
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