Manche meinen ja, LINKE hätten sich mit ihrem #refugeeswelcome und der Liebe zu offenen Grenzen nur im Gutmenschen-Gefühlsdickicht verfangen und müssten durch Umkehr in die vorgebliche Realpolitik ihrer vermeintlichen „Stammwählerschaft“ wieder nähergebracht werden. Tatsächlich bleiben wir unserer traditionellen Philosophie der guten alten PDS treu.
Damals gab es eine ähnliche Diskussion bezogen auf die EU-Außengrenzen und deren drohendes Verschwinden. Gegen den Angst-Mainstream setzten wir Drei-Länder-Konferenzen in Görlitz und Zittau, betonten die Chancen durch polnische und tschechische Mieter in leerstehenden deutschen Wohnungen. Gegen den ruinösen Dumpinglohn-Wettbewerb stellten wir Mindestlöhne und grenzübergreifende Kooperation. Und so standen wir Arbeiterpartei im Unterschied zu vielen Konservativen unerschütterlich zur „Arbeitnehmer-Freizügigkeit“.
Als die Rufe nach Schutz immer lauter wurden, riefen wir als sächsische Fraktion zusammen mit der Brandenburger Linksfraktion, Bundestags- und Europaabgeordneten sowie politischen Repräsentanten verschiedener Ebenen in Polen und Tschechien eine gemeinsame grenzüberschreitende Kooperation ins Leben. Wir definierten die zu vertretenden Interessen als regional-europäische, nicht als nationale.
Heute 2017 hat uns die Geschichte Recht gegeben: Es sind polnische Bürger, die Wohnhäuser, Geschäfte und Straßen in Görlitz beleben. Zittau denkt gemeinsam mit Liberec. Kooperationen auch von Handwerksbetrieben sind keine Seltenheit mehr. Die Gastronomie der Oberlausitz wäre ohne die Arbeitskräfte auf den Nachbarländern längst zusammengebrochen. Faktisch hat sich unsere Position durchgesetzt – entstanden ist eine Win-win-Situation.
Wir sind die Eine-Welt-Partei. Deshalb ist es selbstredend gleichgültig, ob es um Menschen mit inner- oder außereuropäischem Migrationshintergrund geht. Das gilt im Übrigen umgekehrt auch für die ganz rechte Gegenseite, deren „biodeutsche“ Ressentiments überall abzuwehrende „Kanaken“ sehen, egal woher sie nun genau kommen. Das lehrt die Alltagsgesprächserfahrung vor Ort. Deshalb ist es aus unserem Blickwinkel gleichgültig, ob es um Menschen polnischer oder syrischer Herkunft geht. Unser Integrationsmodell der Periode 1990-2005 gilt auch von 2015 bis 2030.
Nun eben mit anderen Menschen. Nebenbei bemerkt: Die Einwände, die jetzt geltend gemacht werden, sind weitgehend deckungsgleich mit den seinerzeitigen Kritiken. Sage niemand, der „Islam“ beschere nun eine neue Qualität. Das ist Quatsch mit Soße, die Antistimmungslagen gegen osteuropäische Roma-Familien oder hochgradig katholische Polen waren ähnlich. Okay, es wurde kein Terror befürchtet, aber räuberisches Ausplündern des Landes einschließlich Mord und Totschlag schon.
Unser Maxime war, ist und wird – so denke ich – nie trunkenes Mitleid, sondern radikal rationale Eine-Welt-Denke. Die Grenzenlosigkeit ist ein Gleichheitsmotor: Wo man Menschen, die der Ungleichheit entfliehen, nicht aufhält, gewinnt die Herstellung der Gleichheit aller Menschen an Fahrt. Das beweist ja die EU. Ihre strukturschwachen Gebiete haben die größten – geförderten – Entwicklungssprünge genommen und damit viele Menschen zum Bleiben bewogen. Und die, die gegangen sind, wurden zu Boten und Mittlern zwischen Regionen.
Die Alternative ist das Konzept Festung. In letzter Konsequenz muss man dann irgendwann jeden EU-Touristen in Afrika, dem Nahen Osten und anderswo zu einem ambulanten Hochsicherheitsbereich aufrüsten. Das wollen wir nicht. Wir wollen DIE EINE WELT ÜBERALL.