Mit Marko Schiemann ist nun erstmals öffentlich ein bekannter CDU-Landespolitiker in Sachsen auf Distanz zur Abbaggerungspolitik in der Lausitz gegangen. „Eine weitere Umsiedlung von Dörfern kann ich nicht akzeptieren“, sagte Schiemann ausgerechnet anlässlich einer Konferenz der sächsischen und brandenburgischen CDU-Landtagsfraktionen über den Strukturwandel in der Lausitz, bei dem wieder einmal die unbefristete Zukunft der Braunkohle beschworen wurde. (Sie Ausschnitt aus Titel-Beitrag der Zeitung „Serbske Nowiny“.)
Die Wahrheit ist allerdings: Die Umsiedlungen sind längst gestoppt – von Vattenfall, bevor die Braunkohlesparte des schwedischen Konzerns verkauft wurde. Seitdem hängen alle Betroffenen in der Region in der Luft: die, die bereits auf den Umzug eingestellt waren, und die, die sich dem widersetzen. Die neuen tschechischen Eigentümer wollen sich erst bis zum Herbst positionieren; sie reden bisher geflissentlich von Zahlen bis 2040, wofür der Tagebau Nochten II (geplanter Durchlauf bis 2067), dessen Genehmigung vor gut drei Jahren vor allem von CDU-Vertretern durchgedrückt wurde, nicht gebraucht würde.
Damalige Warnungen, mit der Genehmigung werde Vattenfall nur der mögliche Verkauf erleichtert, nicht aber echte Planungssicherheit geschaffen, verhallten ungehört. Auch die sorbische Dachorganisation Domowina äußerte sich seinerzeit ablehnend zum Beschluss des regionalen Planungsverbandes. Ohne dass der sorbische Abgeordnete Schiemann ihr beisprang. Nun liegt das sprichwörtliche Kind im Brunnen und Nochten II ist reine Spekulationsmasse in den Händen eines Unternehmens, das als „Heuschrecke“ zu bezeichnen keine Greenpeace-Marotte ist. Je nachdem wie sich der Markt nach Abschluss des deutschen Ausstiegs aus der Atomenergie entwickelt, kann man doch noch mal durchstarten mit Nochten II – oder es bleiben lassen.
Insofern kommt Schiemanns scheinbar mutiges Bekenntnis ein paar Jahre zu spät. Heute geht es nicht mehr vorrangig um Abbaggerung – ja oder nein? Sondern darum, wie der Bevölkerung eine jahrelange Hängepartie erspart bleibt. Wenn nämlich ein halbes Dutzend und mehr Jahre unklar bleiben sollte, wie es überhaupt weitergeht, ist das der worst case. Jeder, der kann, wird das unsichere Gebiet verlassen, und selbst Strategien der Schadensbegrenzung und Kompensation – etwa Förderung von (sorbischer) Kultur und Sprache und Umweltprojekten als sozial-ökologischer Ausgleich für den Braunkohletagebau –
wären in diesem Klima existenzieller Unsicherheit obsolet.
Insofern ist die Wortmeldung des Bautzener CDU-Landtagsabgeordneten etwas surrealistisch. Auch sein Ausruf, es sei „kurz vor zwölf“, wirkt etwas aus der Zeit gefallen. Wenn das richtig ist, was er jetzt sagt, ist es halb eins. Natürlich hat er Recht, dass der Strukturwandel stärker gefördert werden müsste. Aber mit Rufen vom Spielfeldrand, das er selbst zuvor nicht betreten hat, wird er die Lausitz nicht weiterbringen.