Das Privatleben, das laut Definition „abgesondert“ bzw. „getrennt“ von allen öffentlichen sozialen Netzen besteht, ist mir heilig. Daher kann ich auch nicht jedes Wochenende von morgens bis abends im Buch der Gesichter den hochgeschätzten Kämpfern (nein, hier wäre eine gegenderte Form unpassend, es waren ausschließlich Herren) für ein sorbisches Parlament Rede und Antwort stehen.
Infolgedessen nun im Blog im Block das Update der innersorbischen Missverständnis-Aufklärung – aus Rücksicht auf die Sorbophilen deutscher Zunge, wie es so schön altertümlich heißt, in dieser Sprache, zumal ja die in Rede stehende Pressemitteilung der Sejmik-Leute zu ihrem Austausch mit brandenburgischen Landtagsfraktionen auch auf die deutsche Öffentlichkeit ausgerichtet war. Dazu liegt inzwischen auch eine Erklärung der dortigen Linksfraktion vor.
Nichts für ungut, aber ich hasse Wiederholungen, und daher nur im Schnelldurchlauf. Egal ob das seinerzeitige Kamingespräch mit eurer Spitze, dem Domowina-Chef und mir oder meine wiederholte Anwesenheit als Domowina-Ausschuss-Vorsitzender bei euch in Nebelschütz oder der Besuch der Lausitzer Allianz (in Personalunion mit der Sejmik-Initiative) und eines Europaabgeordneten bei der Domowina zur Braunkohle-Problematik – jedes Mal gab es hinterher Verstimmungen wegen Veröffentlichungen, in denen zwar eure Sehnsüchte zum Ausdruck kamen, aber nicht das, was eure Gesprächspartner real gemacht haben.
Ich archiviere nicht systematisch, sonst würde ich gefühlt noch ein paar mehr Beispiele aus dem Ärmel schütteln. Und nun erzählt ihr der Welt, dass alle Fraktionen des Brandenburger Landtags ein sorbisches Parlament unterstützen, und jeder, der sich ein bisschen mit der Landespolitik befasst, weiß natürlich, dass das Unsinn ist. Dass das freundliche Wohlwollen gegenüber neuen Ideen der Partizipation nicht automatisch bedeutet, dass man sie „bejaht“ und ihnen offenbar nun den Weg ebnen will, unbeschadet einiger „Rückfragen“ zu Nebensächlichkeiten. Denn „das Geschaffene darf nicht leichtfertig zur Disposition gestellt werden“, wie es in der Erklärung der Linksfraktion heißt.
Ihr wollt aber ja die bestehenden Entscheidungsstrukturen ändern, was auch legitim ist. Dann sollte man aber nicht alle Leute zu vereinnahmen suchen. Als Euch neulich der frühere Domowina-Vorsitzende Jan Nuck in der „Serbske Nowiny“ empfahl, euch an der Interessenvertretungsarbeit in den Domowina-Gremien zu beteiligen, habt ihr ihm gleich das Wort im Munde rumgedreht und daraus die Bereitschaft zu einer Diskussionsveranstaltung gemacht, die nun stattfinden solle.
Abgestimmte Erklärungen gehören zu meinem Job. Als vor drei Jahren der damalige katholische Bischof Heiner Koch die Linksfraktion besuchte, gab’s hinterher eine gemeinsame Erklärung, die zeit- und praktisch inhaltsgleich auf den Homepages des Bischöflichen Ordinariats und der Linksfraktion erschien. Voller Respekt vor Unterschieden und Gemeinsamkeiten. Nach mehr als hundert Jahren Kulturkampf zwischen vielen Kirchenvertretern und Anhängern sozialistischer Ideen ist das was.
Im Vergleich zu diesem gigantischen historischen Brocken ist der aktuelle Grundkonflikt im Sorbenland eher harmlos. Beide Seiten wollen Kultur- und Bildungsautonomie, halten allerdings unterschiedliche Wege dahin für richtig. Und beide Seiten glauben, dass es so etwas wie ein sorbisches „Volk“ gibt; nur dass eure Sicht eines kollektiven rechtlichen „Souveräns“ von den Verfassungspatrioten abgelehnt wird, die auf die individuelle Freiheit des Bekenntnisses zum Sorbischen verweisen.
Dass das Wohlwollen gegenüber Euren Ideen-Angeboten innerhalb der sorbischen Community oft weniger ausgeprägt war als von Externen, ist zwar nicht schön, aber normal. Wo sich alle kennen, herrschen nun mal strengere Maßstäbe und weniger Diplomatie. Das gilt für alle Seiten und wurde von mir in diesem Blog schon mal kritisch erörtert. Ich denke, die Zeit ist reif für abgestimmte Erklärungen.
Lieber Herr Braumann,
„Zeit für abgestimmte Erklärungen“ ist ein Gedanke, der mir nach der Rückmeldung der Linksfraktion auch kam. Es gibt da Für und Wider. Eine Grundsatzerklärung zwischen Kommunisten und Katholischer Kirche sollte abgestimmt sein, auf alle Fälle. Jede Pressemitteilung nach einem Besuch? Wir denken weiter drauf rum.
Inhaltlich widmen Sie unseren Pressemitteilungen zukünftig doch aber bitte immer auch einen zweiten Blick, beim ersten Lesen liest man gewöhnlich nur das, was man lesen will. Das ist menschlich.
Dass Sie als Politik- und Presseprofi (im Gegensatz zu mir als Feierabend-Laie) aus unserer Presseerklärung einen Vereinnahmungsversuch konstruieren, das darf Ihnen jedoch nicht passieren: Ihrem „Und nun erzählt ihr der Welt, dass alle Fraktionen des Brandenburger Landtags ein sorbisches Parlament unterstützen…“ stelle ich dem geehrte Leser mal unsere zwei PM-Kernsätze gegenüber, damit er sich ein eigenes Bild machen kann. Der erste Teil:
„Alle Fraktionen bejahten unisono das uneingeschränkte Grundrecht der Sorben und Wenden auf ein Parlament als institutionalisierte Meinungsbildungsplattform und auf eine selbstbestimmte Urwahl. Insbesondere wenn man dem Beispiel des Wahlmodus der ersten demokratischen Wahlen des sorbischen/wendischen Volkes zum brandenburgischen Rat für Angelegenheiten der Sorben/Wenden 2015 folgt, werden an der Legitimität der Wahl und des gewählten Parlamentes keinerlei Zweifel bestehen.“
Keine Vereinnahmung und keine Unterstellung. Die Brisanz der Aussage aber ist uns glaube ich allen in ihrem vollem Umfang noch gar nicht bewusst, sie wird das Jahr 2017 aber maßgeblich beeinflussen.
Der zweite Teil:
„Ebenfalls auf großes Verständnis stieß das Ziel, das Parlament des sorbischen/wendischen Volkes selbst über den zweckmäßigen Einsatz der aus Bundes-und Landeshaushalten bereitgestellten Stiftungsmittel entscheiden zu lassen, um im Sinne der Subsidiarität eine verbesserte Wirksamkeit der eingesetzten Mittel zu erreichen.“
Den Unterschied zwischen Unterstützung und Verständnis brauchen wir hier sicher nicht erörtern. Lieber Hr. Braumann, hier sind Sie mit Ihrer Kritik mittels unfairer Unterstellungen doch kräftig übers Ziel hinausgeschossen, müssen Sie zugeben. Oder?
Zu diesem Thema abschließend: Genau wie in der Erklärung der LINKEN „Wir haben in dem Gespräch aber auch deutlich gemacht, dass Brandenburg bei der Ausweitung der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der Sorben/Wenden eine Vorreiterrolle hat.“ haben auch wir viele Male im Gespräch genau diesen Aspekt hervorgehoben, insbesondere bei der Pioniertat „1. demokratische Wahl des sorbischen/wendischen Volkes“. Bei der sich übrigens auch die Domowina verdient gemacht hat! Nicht auszudenken, wenn die Domowina endlich von der Verhinderungsstrategie auf „Mitmachen“ umschalten würde und alle ihre Kraft auch bei der 2. demokratischen Wahl des sorbischen/wendischen Volkes, nämlich zu seinem Parlament, in die Waagschale werfen würde.
Nun zur Ihrer und Jan Nucks Einladung zur Mitarbeit in der Domowina. Davon abgesehen, dass die Domowina aufgrund struktureller Grenzen für die notwendige politische Arbeit nicht der richtige Ort ist, haben Sie Hr. Braumann in Ihrem Blog vom 16.11.16 (ich bitte Sie um Verlinkung dazu) deutlich herausgearbeitet, dass eine Einbringen seines Engagements in der aktuelle Domowina zum Scheitern verurteilt ist.
„… habe mich ein paar Jahre lang … stark gemacht … wollte ich in den letzten Jahren mit meiner Mitarbeit in Domowina-Bundesvorstand und dann auch im Präsidium ändern. Es ist gescheitert, weil im Räderwerkt zwischen sorbischer und sächsischer Bürokratie jeder Versuch eines Aufbruchs zermalmt wird.“
Damit sind sie nicht allein, dies deckt sich mit den Erfahrungen von zig ehemals engagierte und enthusiastischen Streitern für die sorbische/wendische Sache. Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir uns das sparen wollen, dafür ist das Anliegen dann doch zu wichtig und das Leben zu kurz.
Aber wie gesagt, selbst wenn die Domowina ein Hort demokratischen Verhaltens wäre, und das bleibt der Wunsch aller Sejm-Initiativler, so würde sie der starke und wirkungsvolle Kulturdachverband sein, eine ganz wichtige Säule neben dem Parlament, das für die politische Arbeit zuständig ist.
Übrigens ist dies die Arbeitsteilung, die uns viele europäische Leidensgenossen erfolgreich vormachen, z.B. in Wales, was ja nach der letzten Reise auch seitens Domowina als lehrreich bezeichnet wurde.
So, ich glaube, jetzt haben wir uns genügend in Blogs und Hinterzimmern ausgetauscht. Es ist Zeit, dass David Statnik mit seinem mehrfach geäußerten Gesprächsangebot ernst macht und wir öffentlich im transparenten Dialog miteinander austauschen, wie wir als sorbisches/wendisches Volk endlich zu einer Stimme kommen, zur einer Einheit in Vielfalt, wie es sich jedes demokratisch Volk aus gutem Grund organisiert (und wie es eben auch alle deutschen Politiker immer wieder von uns einfordern.)
Zum Schluss ein ernstgemeintes Danke für Ihr Entgegenkommen gegenüber den Sorben (nicht Sorbophilen!) deutscher Zunge 😉
Viele Grüße / hač do bórze,
Martin Schneider / Měrćin Krawc
PS: Sie pflegen in Ihrem Blog manch netten Mono- oder manchmal auch Dialog. Welches ist aber Ihre politische Vision für unser Volk? Nachdem Sie den Blog im letzten Herbst mit erkennbarem Frust ad acta legen wollten, lassen Sie sich jetzt im Frühling zum Einprügeln auf die Sejm-Initiative verführen. Warum? Bzw. viel Wichtiger: Was ist Ihr konstruktuvier Beitrag? Ich unterstelle Ihnen, dass Sie mehr antreibt, als Ihr intelektuelles Plaisir, das Sie sich hin und wieder leisten?
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Ich bearbeite Kommentare nicht, sondern schalte frei 😊, da Sie Datum angaben, ist es für Interessierte ein Leichtes, den Post aufzufinden. Ansonsten müssen Sie ihn kopieren und nochmal als Kommentar schicken.
Die Domowina hat sich seit Herbst bewegt, Vorsitzender und Vorgänger waren bei Eurem Bildungsgipfel dabei.
Ansonsten steht zu meinen Visionen in beiden Blogs, besonders zum Thema Sprache, alles. Und auf der Hłowna werde ich auch noch was sagen.😊 Eine Werbesendung zu meinen Aktivitäten in Bundesvorstand, Präsidium usw.usf. mache ich hier nicht. 😉
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