Sachsens Integrationsministerin Köpping hat festgestellt, dass über 50 Prozent der Geflüchteten entweder Analphabeten sind oder so kurz bzw. ergebnislos die Schule besucht haben, dass sie nicht so einfach in unser Ausbildungssystem integrierbar sind.
http://www.mdr.de/nachrichten/politik/regional/berufsaufbildung-fluechtlinge-100.html

Ja und? Das wissen wir seit über zwei Jahren. 2014 begann jene Fluchtbewegung, die im Herbst 2015 ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, auch in Sachsen verstärkt anzukommen. So wurde vor nunmehr 26 Monaten selbst unsere Gemeinde im Oberlausitzer Heide- und Teichland Asylheim-Standort (inzwischen wieder aufgelöst). Und seither wissen wir Bescheid, dass es so ist. Die Ministerin war übrigens seinerzeit schon im Amt.

Seither habe ich mir eine Gebetsmühle ins Hirn implementiert, die bei jeder Gelegenheit – zum Beispiel wenn so ein Arbeitsagentur-Apparatschik meinen kollektiven Arbeitgeber besucht und man Gelegenheit zum Fragenstellen hat – anmerkt, dass sich kein 22-jähriger erwachsener Analphabet, der seit seinem 14. Lebensjahr gearbeitet hat, in eine Ausbildungsschleife begeben wird, die ihn im günstigsten Fall mit etwa 30 wieder hergeben wird – dann so qualifiziert, wie das Frau Köpping und einige Standesfunktionäre gern hätten. Lassen wir mal solche Nebensächlichkeiten beiseite, dass jemand, der kaum rechnen kann, schwerlich die physikalisch-chemischen Belehrungen in punkto Material- und sonstiger Kunde an der Berufsschule mental überstehen wird.

Nachdem also der Lernprozess einer doch hochqualifizierten Ministerin und früheren Landrätin so erschütternd lang gedauert hat, teilt sie nun mit: Trotz allem kein Problem, Geld sei genug da, es gebe da so europäische Fonds.

Mal ganz davon abgesehen, dass das unfreiwillig wieder Wasser auf die Mühlen derer ist, die sich beschweren, dass für die Schulen der Einheimischen auf dem Land kein Geld da war, weshalb sie geschlossen worden seien, nun aber bei den Bildungsanstrengungen für Flüchtlinge Geld ohne Grenzen zur Verfügung stehe, bezeugt diese Äußerung unverbesserliches Verharren im bildungsbürokratischen Denken: Wenn die bestehenden Instrumente nichts fruchten, dann muss man eben mit noch mehr Bildungsträgern noch mehr Bildung natürlich „passgenau“, „maßgeschneidert“ oder wie es üblicherweise bei solchem Anlass dahingeredet wird, über den Klienten nieder regnen lassen.

In einer Welt, in der wir bald unsere alltäglichen Gebrauchsgegenstände ausdrucken werden und wo uns schon jetzt technische Assistenten im Handy durchs Leben führen, gibt es weiß Gott innovativere Ansätze, die unbelastete Gedächtnis-Festplatte junger erwachsener Analphabeten in den gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktions-Kreislauf zu integrieren, als sie mit immer größerem Aufwand in einen Bildungs-Kanon hineinzupressen, für den sie nicht geschaffen ist.

Ich hasse Wiederholungen und werde deshalb hier nicht zum x-ten Mal kommunizieren, wie „unser“ bildungsfernes nahöstliches Subproletariat funktionaler und tatsächlicher Analphabeten binnen anderthalb Jahren in sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung gefunden hat. Auch weil ich, der ich weder Pate, Flüchtlingshelfer, Gutmensch oder ähnlich genannt zu werden wünsche, das Jobcenter zu raschem Einvernehmen darüber veranlasste, dass wir sie mit Ausbildung zu verschonen beabsichtigen, wenn sie sowieso sofort zu arbeiten begehrten.

Bevor nun die Sirene losgeht und die elende Langfrist-Perspektive Ungelernter bejammert wird und ich versucht wäre, auf all die Lausitzer Mindestlohn-Hochqualifizierten zu verweisen, lege ich den Schluss dieses Beitrages in den Schoß der Zukunft. Wir werden ja in zwanzig Jahren hoffentlich noch gemeinsam sehen können, wer Recht hat. Womöglich haben Schulen und Hochschulen bzw. das ganze „System“ von Bildung bis dahin infolge ihrer Unangepasstheit an die Realität längst eine geradezu revolutionäre Wandlung hinter sich, und die hyperpragmatischen Analphabeten sind dann ebenso Avantgarde wie einst die Software-Pioniere, die statt an der Uni in der Garage die Welt voranbrachten.

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