„Mischvölker“ sind für einen sächsischen AfD-Richter „einfach nicht zu ertragen“, weshalb er gegen ihre derzeitige „Herstellung“ in Europa polemisiert. Früher drehten des Öfteren Eltern durch, wenn ihre erwachsenen Kinder „Mischehen“ eingingen, womit allerdings kein ethnischer, sondern konfessioneller Unterschied gemeint war.

Unstrittig gut ist zumindest gefühlt eine Mischung, die aus einem 1989/1990 untergegangenen Gemeinwesen überliefert ist: der Professor neben der Putzfrau in der Platte. Unsere zeitgenössischen Sehnsuchtsorte sind St. Pauli in Hamburg oder Connewitz in Leipzig, die den Eindruck vermitteln, dass hier bis heute Menschen sehr unterschiedlicher sozialer Herkunft miteinander auskommen.

Interessanterweise gibt es dort, wo keine soziale Entmischung stattgefunden hat, auch kaum Probleme mit konfessioneller oder ethnischer Mischung. Man könnte auch sagen: Auf die dumme Idee der anheimelnden harmonischen „Volksgemeinschaft“ mit aggressiver Abstoßung aller, die als Außenstehende wahrgenommen werden, kommen Menschen erst, wenn sie sozial vereinzelt und in soziale Schichten getrennt worden sind.

Die wirkungsvollste antifaschistische Strategie ist die gezielte soziale Mischung. Statt langfristig immer mehr Sozialarbeiter in soziale Brennpunkte zu schicken, sollten diese Viertel sozial aufgemischt werden – ebenso wie die sogenannten „besseren“ Viertel. Wenn diese Bewegung keine Einbahnstraße ist, kommt es auch nicht zur Verdrängung (Gentrifizierung).

In der ZEIT gab es vor einiger Zeit eine Reportage über Freiburg im Breisgau. Der wohlwollend geschriebene Text zeichnete beobachtungsscharf Multikulti-Geneigtheit bei gleichzeitiger sozialer Abschottung nach. Was mich an der Syrer-Gruppe, mit der ich vor gut zwei Jahren in freundschaftliche Verbundenheit eintrat, am meisten faszinierte, war das selbstverständliche Miteinander von Akademiker und Analphabet. Nicht reibungslos, aber solidarisch.

Als Lobbyist des kleinen Lausitzer Ureinwohner-Völkchens der Sorben bin ich ja regelmäßig mit der Frage konfrontiert, ob ich nicht selbst für künstliche Abgrenzung und gegen natürliche Vermischung kämpfe, damit das Sorbische nicht verschwinde. Tatsächlich bin ich für einen kosmopolitischen Garten, in dem alle Blumen blühen können. Sprachen sollte man zum Beispiel miteinander spielen lassen, aber sie nicht in einem Topf zusammenrühren – Denglisch ist ebenso grauenvoll wie verdeutschtes Sorbisch.

Das Bewusstsein des Eigenen setzt die Wahrnehmung des anderen voraus. „Es gibt viel“, sagt einer meiner syrischen Lieblingskurden immer so herrlich leichthin, wenn das Gespräch auf die Varietät der Gesellschaften etwa in religiöser oder sexueller Hinsicht kommt. Und das, was es in Frieden gibt, ist gut möglich. Man muss es nicht für sich auswählen, aber es ist doch schön, dass diese Möglichkeiten existieren. Wie sehr wir uns dabei mischen, ist eine offene Geschichte.

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