Mein erstes Weihnachtsritual sind die handgeschriebenen Weihnachtswünsche an Journalisten, im Wesentlichen die Mitglieder der Landespressekonferenz Sachsen. Wenn ich damit fertig bin, neigt sich mein Dienstjahr dem Ende zu, dank Kevin, der zwischen den Jahren in Bereitschaft die Stellung hält.

Das Schreiben der Karten ist eine schöne Gelegenheit, das Arbeitsjahr Revue passieren zu lassen und sich jedes Einzelnen von denen, die „auf der anderen Seite“ ihren Job machen, bewusst zu werden. Als Pressesprecher befindet man sich ja in der Doppelfunktion, schlicht Dienstleister fürs Informationsgewerbe und alle anderen Interessierten zu sein und zugleich das eigene Unternehmen, in diesem Fall eine Landtagsfraktion, mit seinen Produkten, also hier den politischen Inhalten, Personen und ihren Projekten, der Öffentlichkeit darzustellen. Das sieht aus wie ein Widerspruch und ist doch mein Leben im Landtag.

Der politische Journalismus befindet sich übrigens in einem ähnlichen scheinbaren Dilemma. Er ist organisierter Bestandteil des politischen Betriebes – zum Beispiel durch den Verein Landespressekonferenz – und hat so geregelten Zugang zum landespolitischen Getriebe. Zugleich haben seine Akteure den Anspruch, nicht im Interesse der Politiker zu schreiben und zu senden, sondern der Leser, Zuschauer und Zuhörer.

In Zeiten wie diesen gelten wir nicht wenigen Menschen als zwei Seiten desselben Establishments. Dieser Eindruck wird scheinbar noch verstärkt durch all die Wechsel der letzten Jahre, wo Journalisten Ministeriums- oder Fraktions-Sprecher wurden bzw. Pressesprecher wieder zu den Medien zurückgingen. Ich kenne allerdings keinen einzigen Fall auch bei Kollegen, die weltanschaulich völlig anders ticken als ich, wo man hinterher sagen musste: Man merkt, dass der vorher auf der „anderen Seite“ stand.

Dieses Professionelle ist gegenwärtig in Verruf gekommen. Leute, die beruflich eine Rolle spielen. (Mit Überzeugung, aber ohne die Mission, der Mittelpunkt der Welt zu sein.) Das dürfen nur Schauspieler am Theater oder im Film, und auch da wird erwartet, dass sie „authentisch“ sind, also eigentlich der private Schauspieler zum offiziellen auf der Bühne passt. Tatsächlich aber lebt das friedliche Funktionieren einer hoch komplexen, vielfältig vernetzten und beschleunigten dynamischen Gesellschaft von einer Selbstlosigkeit im Teilen – jenseits einer reinen narzisstischen Ich-Akkumulation.

Der politisch-publizistische Komplex, und sei es sein Ableger rund um Landtag und Staatsregierung in Dresden, ist ja gesellschaftlicher Bestandteil der postmodernen „Share Economy“. Das klassische Sender-Empfänger-Schema ist passé, wir teilen gemeinsam Kommunikationsobjekte und bespielen die Öffentlichkeit, ob on- oder offline, mit unseren korrespondierenden Beiträgen. Wohl wissend, dass wir Wichtigkeit verstärken, wenn wir jeweils alle über dasselbe reden. Dabei haben wir die Widersprüche, die in der Gesellschaft stecken, in zivilisierter Weise auszudrücken, ohne Rücksicht auf gemeinsames Wohlfühlen beim Sommerfest der Landespressekonferenz oder irgendeinem Empfang.

Die Korruptionsgefahr, der wir ausgesetzt sind, heißt weniger materielle Vergünstigung als der Status des gefühlsmäßigen Dazugehörens. Da ist es hilfreich, eine eigene Welt weit ab vom Berufs-Biotop zu haben. Deshalb habe ich gerne einen längeren Arbeitsweg. Denn die Wurzeln der eigenen Existenz sollten immer außerhalb der eigenen Rollen liegen, sonst verzehrt man sich im Schein Meine Ehrerbietung gegenüber dem Sein äußert sich zum Beispiel in meinen handgeschriebenen Weihnachtswünschen, die für jeden und jede etwas anders aussehen.

Schließlich ist Weihnachten das Fest der Menschwerdung. Und zum Menschen gehört seine Einzigartigkeit, Unverwechselbarkeit.

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