Er war am Sonnabend noch dort, wo gut 48 Stunden später ein Lkw absichtlich in die Menschenmenge gesteuert wurde und all die in den Tod riss oder verletzte, die zufällig in diesem Moment an dieser Stelle an diesem Platz waren. Salman hatte das Glück, dass sein Chef den vorweihnachtlichen Betriebsausflug nach Berlin auf einen anderen Termin als den des Anschlags gelegt hatte. Auch Zufall.
Hat man beruflich mit politischer Kommunikation zu tun, darf man sich schon glücklich schätzen, wenn man sich aus dem Wettlauf um das schnellste Statement nach einem solchen Ereignis, das eigentlich zum Schweigen aufruft, eine Nacht und einen halben Tag heraushalten kann. Wortreiche Fassungslosigkeit ist nämlich ein Widerspruch an sich. Und innehalten lässt sich nur im Zustand der Ruhe, also der Unterbrechung des eigenen Zugangs zum globalen Dauergespräch.
Es heißt viel zu schnell nach solchen Katastrophen: Das Leben geht weiter. Natürlich tut es das. Aber erstens nicht für die, die um ihr Leben gebracht wurden, und zweitens auch nicht unverändert für alle anderen. Denn natürlich ist ein von schützenden Betonklötzen umgebener Weihnachtsmarkt ebenso optisch wie atmosphärisch ein anderer.
Und natürlich soll man sich von Terror nicht seinen Lebensablauf vorschreiben lassen. Dass ich Sonntagabend ausnahmsweise mal auf einem Weihnachtsmarkt war, dem Bautzener, lag an der Einladung zum Glühwein durch den oben Genannten, rechtzeitig aus Berlin Zurückgekehrten. Ich gehe sonst nicht auf solche Weihnachtsmärkte, jeder hat eben ein anderes Risikoprofil.
Man sollte allerdings wirklich nicht der Versuchung erliegen, eine solche Untat bruchlos als Baustein für das eigene Bild von der Welt zu verwenden. Es ist ja eben eine Un-Tat, also etwa, das außerhalb der kultivierten und zivilisierten Handlungsmuster liegt. Sie lässt sich nicht ohne innere Selbstbeschädigung integrieren. Nur wer im Schweigen Abstand gewinnt, findet eine angemessene Antwort.