Der Landkreis Görlitz sucht einen Sorben-Beauftragten. Zehn Stunden Teilzeit. Dass der oder die Gesuchte ordentlich sorbisch sprechen und schreiben können muss, versteht sich von selbst. Doch die erste Einstellungsbedingung ist – zeittypisch – diese:
„Voraussetzungen:

  • Abschluss als Verwaltungsfachwirt/-in, Angestelltenlehrgang II oder ein vergleichbarer Abschluss“

siehe auch:
http://www.kreis-goerlitz.de/city_info/webaccessibility/index.cfm?item_id=852944&waid=392&modul_id=33&record_id=83174

Bildung diente einst der Befreiung. Im Zeitalter fortschreitender akademischer Durchregulierung ist sie ein Instrument der Zähmung geworden. Da ist der Landkreis Görlitz mit seiner Stellenanzeige nur voll im Trend des Verderbens. Der Sorben-Beauftragte müsste ja der kritische, unabhängige Gegenpart der Verwaltung sein, ohne ausbildungsbedingtes Verständnis für den bürokratischen Sand im Getriebe. Genau das will man aber offenbar nicht haben.

Anderes großes Beispiel für den strukturell begründeten Distanz-Verlust: Die fast vollständige Durchakademisierung des Journalistenberufs hat nun dazu geführt, dass DIE ZEIT letzte Woche ganzseitig selbstanklagend bekannte, „wir Journalisten sind Teil des Establishments“ geworden:
http://www.zeit.de/2016/51/journalismus-kritik-establishment-medien-macht
Der Beitrag geht nur an der Wurzel des Übels vorbei. Der Journalismus ist nicht deshalb auf den Hund gekommen, weil die Journalisten nicht mehr gefürchtet, sondern geachtet sein wollten und keine Sozialreportagen mehr geschrieben haben. Das Problem des von Eitelkeit getriebenen Mitmachens war schon vor Jahrzehnten in unzähligen Lokalredaktionen virulent. Das ist nix Neues, sondern anthropologisch bedingte Konstante von Unzulänglichkeit.

Was neu ist: Solche Typen wir @Congo_Randy , der sich – Arbeiterkind ohne Abitur und unstudiert – Sprachen und Kenntnisse über Land und Leute autodidaktisch aneignete, einfach von schöpferischer Neugier getrieben, und das Erlebte anschaulich und unbefangen von Konventionen des Establishments aufschreiben kann, sind aus den Korrespondenten-Zirkeln und Chefredaktionen verschwunden. Die Diversität, die der tonangebende liberale Journalismus in der Gesellschaft prinzipiell befürwortet, geht ihm selbst praktisch komplett ab.

Es ist nichts gegen den studierten Juristen zu sagen, der sich für den Journalistenberuf entschieden hat. Aber er sollte auf Arbeit nicht nur universitätssozialisierte Leute treffen. Genauso wie es auf den politischen Ebenen der Leute bedarf, die außerhalb des Verwaltungskosmos ins berufliche Leben gegangen sind.

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