Was ist 2016 ganz anders als 1994? Damals wurde in einer Zeit schwerster sozialer Verwerfungen – Deindustrialisierung und Massenarbeitslosigkeit – mit Horst-Dieter Brähmig in Hoyerswerda der erste PDS-Oberbürgermeister gewählt. Heute liegen die Rechtspopulisten in Sachsen in Umfragen bei 25 Prozent – und das bei einem Bruchteil damaliger Arbeitslosigkeit.
Der Gegenkandidat von Brähmig hatte alle demokratischen Parteien außer der PDS hinter sich – und Kurt Biedenkopf sowie diverse Bundesprominenz. Bei der Wahlparty des SPD-Mannes, der bereits kommissarisch die Stadt führte, war ein Menschenschlag prägend, den ich ganz ohne boshaften Unterton als Schickeria bezeichnen würde.
Also laut Definition „die (relativ) wohlhabende, sich (übertrieben) modewusst kleidende Gesellschaftsschicht, die sich für wichtig hält .“ Ihnen stand an diesem Abend die maskenhafte Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben, dass eine Plattform ihrer Reputation gerade unter ihnen zerbrach.
Bei der PDS-Wahlparty gab es einen ausnehmend gut gekleideten, bürgerlich wirkenden Herrn. Das war Brähmig selbst. Ansonsten überwogen optisch nicht mehr ganz junge Männer, die von der Entwurzelung aus einst geordnet realsozialistisch-proletarischen Verhältnissen gezeichnet waren. Wichtig nahm sich hier niemand, und die Mode war egal.
Es war eine Zeit, in der Kohls „blühende Landschaften“ längst grassierendem Spott ausgesetzt waren. Aber die Städte wurden tatsächlich immer schöner. Und irgendwie wollten alle an diese Vision glauben. Und ihren Anteil daran in Anspruch nehmen dürfen – für diese Ansage stand das Votum für Brähmig.
Nach einem knappen Dutzend Jahren pragmatischen Merkelismus und einem guten halben Dutzend Jahren nur auf Sicht fahrenden EU -Finanzkrisenmanagements ist das gesellschaftliche Visionspotenzial heruntergewirtschaftet. Das herrschende Dogma heißt „Alternativlosigkeit“, es ist, wie es ist, und danach kommt nichts mehr.
Ohne Hoffnung auf Zukunft versinkt die Gegenwart in Hyersterie. Aus ihr steigt der Hass empor, der uns zurzeit verstört. Ich bin gegen Vertröstung, aber ohne Trost kommt niemand aus. Das griechische Wort für Trost bedeutet auch Ermutigung; die aber bezieht sich zwingend auf eine Zukunft, in der das Leben weitergeht. Wo es keine Vorstellung von Zukunft mehr gibt, herrscht gefährliche Trostlosigkeit.
Engel haben heute Hochkonjunktur. Kitsch ist schwer im Kommen. Manchmal ist das auch Kunst. Himmlische. Frieden auf Erden gibt es aber nur dann und dort, wenn und wo der Blick in eine mögliche gemeinsame Zukunft wieder eine Chance hat.