Auf den ersten Blick war es das Schlimmste, was Asylsuchenden passieren konnte: ein heruntergekommenes Motel, früher mal ein Schweinestall, am Rande eines kleines Dorfes. Bushaltestelle? Gehe auf der nahen Bundesstraße 96 – jener längsten Straße der DDR, die von der tschechischen Grenze bis Rügen führt – nach links und dann wieder rechts rein auf der Straße nach Neschwitz. Immerhin fährt der Bus tagsüber fast stündlich nach Bautzen.

Heute ist Schluss in Holscha – nach zwei Jahren. CDU-Landrat Harig hatte brieflich ausgerufen: Tausend sind genug! Keinen einzigen Asylbewerber könne der Landkreis noch aufnehmen. Aber das BAMF in Chemnitz schickte noch mal rund dreißig Menschen – und die kamen dann eben nach Holscha. Heimlich. In der Zeitung stand nichts, erst mit vier Wochen Verspätung gab es eine beiläufige Pressenotiz. Aber Menschen aus der Nachbarschaft, vor allem Frauen, kümmerten sich von Anfang an. Andere wie wir aus umliegenden Dörfern kamen nach der E-Mail einer Sozialarbeiterin aus dem „Steinhaus“ Bautzen. Mitte Dezember 2014. Als erstes gespendete Kleider verteilt, die allerdings großenteils unbrauchbar, weil viele Nummern zu groß waren.

Der Landkreis etikettierte das eigentlich unerwünschte Heim zur „dezentralen“ Unterbringung. Der Neschwitzer Bürgermeister schrieb im Gemeindeblatt, die Bevölkerung möge das Asyl in Holscha bitte unaufgeregt zur Kenntnis nehmen, die Gemeinde könne nichts dafür. Die Angst vor Anschlägen war allgegenwärtig. Freundliche Polizisten besuchten die Geflüchteten und gaben ihnen zu verstehen, bitte sofort Meldung zu machen, wenn sich jemand in feindlicher Absicht nähere.

Noch viele Monate später, als ich nach der Präsidiumssitzung der Domowina in Hoyerswerda noch kurz vor Mitternacht in Holscha vorbeischaute, um mit Freunden Tischfußball zu spielen und ein bisschen zu plaudern, wurde ich hinterher auf dem weiteren Heimweg von der offenbar nahe dem Heim versteckt postierten Polizei kontrolliert und gefragt, ob ich in dem Heim arbeite. Passiert ist nie etwa – vielleicht auch dank der Polizei.

Zugleich passierte unheimlich viel. Wahrscheinlich hat Holscha zu den bestbetreuten Asyl-Unterkünften in Sachsen gehört. Während der Chef vom Bautzener „Spreehotel“ mal im Zeitungsinterview sagte, unter den Hunderten Flüchtlingen im Hause seien auch völlig Vergessene, hatte in Holscha jeder Mensch, der es wollte, eine unmittelbare persönliche Betreuung beim Deutschlernen, in der Freizeitgestaltung, beim Kennenlernen der Gegend und natürlich bei den schrecklichen Behördengängen.

Nun macht Holscha dicht. Einer meiner beiden syrisch-kurdischen Mitbewohner, die ohne Holscha nie bei uns gelandet wären, hat gestern mit seinem Auto zwei der letzten Geflüchteten im Motel zum „Spreehotel“ gefahren. Asyl in Holscha ist Geschichte. Unvergessen das Auftreten einer größeren Gruppe Refugees beim volkstümlichen „Hexenbrennen“ in Neschwitz, oder wenige Tage später beim Nachtbaumwerfen bei uns im Dorf mit viel Volk aus den Orten zwischen Bautzen und Hoyerswerda. Die atmosphärische Polarisierung zwischen Freundlichkeit und Hass in den Gesichtern bis hin zur direkten Ansprache: „Warum bist du hier?“ Aber auch hier ging alles gut, und es war für alle Beteiligten ein schönes Fest, wohl auch dank einer Security, die sich den Abend und die halbe Nacht nur wenige Meter neben dem Teil der Tanzfläche postierte, wo die Männer aus den arabischen Ländern tanzten.

Bilanz nach zwei Jahren Asyl in Holscha: Die Freundlichkeit hat gesiegt. Es wohnen in ganz Deutschland Menschen, die sich gerne an die Leute hier erinnern werden. Und es sind letztlich doch ein paar mehr in Holscha einquartierte Geflüchtete als erwartet in unserer Region geblieben, die hier jetzt wohnen und arbeiten.

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