„Einen schönen ersten Advent!“ wünscht man mir seit Freitag überall. Ob im Landtag oder beim Bäcker. Ein erstaunlicher Brauch im weltlichen Sachsen, das ist mir selbst in Bayern nie passiert. Nächste Woche werden mir die Leute allenthalben einen ebenso schönen zweiten Advent wünschen. Ich ihnen natürlich auch. Und so geht es weiter bis Weihnachten.
Gut, in Sachsen befindet sich das „Weihnachtsland“ schlechthin, das Erzgebirge, und das strahlt eben auf den gesamten Freistaat aus. Eigentlich will ganz Sachsen Weihnachtsland sein. Die Adventszeit ist da Hochsaison. Seit Adam Ries, der nach Sachsen zog, hier mehr als sein halbes Leben verbrachte und eine Rechenschule gründete, ist Sachsen das Land des Rechnens und der Zahlen. Das passt aufs Schönste zur naturwissenschaftlichen Prägung dieses frühzeitig hochentwickelten Landes. Die wiederum liegt an der achthundertjährigen Bergbau-Tradition, und Ries arbeitete nicht zufällig in der Bergverwaltung.
So haben wir das Phänomen, dass die Menschen in diesen im weltweiten Maßstab maximal säkularisierten Landstrichen die Etappen des Advents mit so großer Gewissenhaftigkeit kultivierten, dass das Fest der Geburt Christi niemanden unvorbereitet treffen kann. Wer dann noch erst am Heiligabend nach Geschenken sucht, ist wirklich selber schuld.