Dass man in Deutschland zu Hause Deutsch reden muss, um ordentlich integriert zu sein, ist klassischer (vermeintlich) konservativer Schwachsinn. Wir reden ausschließlich sorbisch miteinander, und die beiden jungen Herren, mit denen wir Wohnzimmer und Küche zusammen besiedeln, kommunizieren untereinander kurdisch. Die gemeinsame Sprache beim Abendessen wiederum ist Deutsch. Wobei sich der deutsche Dialog zwischendurch auch in kurdische und sorbische Nebengespräche verlaufen und dann wieder in ein deutsches Gespräch zurückfließen kann. Der Haushalt ist also dreisprachig.
Die Zweisprachigkeit in der Lausitz, heißt es, leide vor allem unter dem Misstrauen von Deutschen, die Sorben würden in ihrer Gegenwart etwas Böses über sie erzählen. Mir als gebürtigem Hamburger hat dieses Argument noch nie eingeleuchtet, war ich doch in der U-Bahn auf dem Weg zur Schule ständig von Menschen umgeben, die in mir unverständlichen Sprachen redeten, ohne dass ich Veranlassung zur Mutmaßung hatte, dieses Sprachverhalten sei gegen mich gerichtet. Ganz davon abgesehen, dass man ja zum Zwecke der üblen Nachrede auch außer Hörweite treten oder ins Nebenzimmer gehen kann.
Mehrsprachigkeit ist wie alles Niveauvolle im Leben Vertrauenssache. Nichtverstehen hat im Übrigen große Vorteile. Ein langes, leidenschaftliches Handy-Telefonat in unmittelbarer Nähe ist in fremder Sprache wie Musik, zu der man ein gutes Buch lesen kann. Wird dasselbe Telefongespräch stundenlang in uns bekannten Worten geführt, ist der geruhsame Feierabend gelaufen. Zudem nimmt man gezwungenermaßen sinnlos an Problemen Anteil, von denen die meisten auch ohne mich schon bald wieder gelöst sein werden.
Eine vor Jahr und Tag kontrovers diskutierte Frage war: Kann man Geflüchtete, die ja sowieso schon deutsch lernen müssen, parallel zusätzlich in die sorbische Community integrieren?
Im Prinzip ja: Mit einem Dutzend Worten und Redewendungen für den Fußballplatz ausgestattet ging es los, und ein Trainer lobte im sorbischen MDR-TV-Magazin, dass die beiden nach seinem Eindruck besser sorbisch statt deutsch verstanden haben. Da waren wir alle vier redlich stolz. Das kurdische Fußball-Duo im sorbischen Kerngebiet währte ein Jahr. Dann setzten berufliche Verpflichtungen der Trainings-Beteiligung zu enge Grenzen. Was wiederum ein klassisches Problem auch im einheimischen jugendlichen Kreisklassenleben ist.
Sprachpolitisch ist die sorbische Gegend für junge Kurden faszinierend: Diese zweisprachigen Schilder – das wäre doch auch was für Kurdistan in den verschiedenen Staaten!