Egal, ob in Gießen, Gelsenkirchen oder bei uns – fragt man #refugees , die schon seit Jahr und Tag im Lande sind, mit wie vielen Deutschen sie schon persönlichen Kontakt haben, ist die Standardantwort im Regelfall: Mit keinem.
Übrigens völlig unabhängig davon, ob sie in #RefugeesWelcome -Umgebung oder eher xenophoben Verhältnissen, in migrantisch geprägten Vierteln oder in ländlicher Gegend mit wenig Ausländern leben. Da fragt es sich dann gern: Wer ist daran schuld?Hauptsächlich das inkompatible Zeitverständnis.
Der Durchschnittsdeutsche hat nie Zeit, deshalb führt er einen stundengenauen Terminkalender für die Kommunikationen, für die er sich „Zeit nimmt“. Man verabredet sich mit Freunden, hat feste Termine (Geburtstage, Weihnachten) im Familienkreis. Mit anderen Menschen trifft man sich projektbezogen; Jugendliche kommen zu bestimmten Zeiten in ihren Klub, um etwas Konkretes zusammen zu machen.
Der Durchschnittsmigrant hat Zeit, auch wenn er einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht. Er lässt sich auf dem Platz in der Stadt oder vor dem Haus nieder oder setzt sich ins Kaffeehaus oder in die Shisha-Bar und harrt der Gespräche, die sich ergeben. Wenn er durchs Stadtzentrum spaziert, ist das nicht nur Shopping mit Zufalls-Smalltalk am Rande, sondern die bewegte Bereitschaft zur Kontaktaufnahme.
Nun könnte sich ja Gruppe A mit Gruppe B zwanglos zum gemeinsamen Stammtisch verabreden. Das geschieht aber nach meiner Erfahrung selbst dort nicht, wo man in derselben Fußballmannschaft spielt. Nicht, weil der eine eher Bier und der andere eher Tee trinkt. Sondern weil das Gespräch auf Jahre hinaus mit gewisser Anstrengung verbunden ist: Der eine muss sich selbst zum reinen Hochdeutsch in bewusst leichter Sprache dressieren, der andere sich einen Begriffsschatz mühsam aneignen, der ihm vom Herkunftsalltag fremd ist. Das ist dann nicht die völlig entspannte Unterhaltung, die man in seiner Freizeit haben will.
Selbstverständlich ist das skizzierte Szenario eine Aneinanderreihung von Klischees, aber wir sind eben oft mehr Klischee, als wir wahrhaben wollen 😉. Insofern ist das Wort Herausforderung hier keine Phrase: Es dürfen sich gerne alle ein bisschen bewegen, um mehr von einander zu haben. Erst dann entsteht ein produktiver Melting Pot, ein kommunikativer Schmelztiegel, der die Gesellschaft beflügelt.
Also leb mal einfach in den Abend hinein – und schenk dem #refugee -Kumpel einen Kalender. 😊