Mit dem Internet hat die Ewigkeit Einzug in die Informationskultur gehalten. Es gibt kein verbindliches Vorher und Nachher mehr. Das sieht man nicht nur an den vielen versehentlichen Verlinkungen nebst Kommentaren zu Inhalten, die als aktuell erscheinen und entsprechend kommentiert werden, obwohl sie schon seit Jahr und Tag im Netz stehen.

Das Internet hat zugleich die früher relatv eindeutige autobiographische Phasen-Struktur aufgelöst. Man kann sich jederzeit an Fragmenten aus einem früheren Lebensabschnitt bedienen und sie für die Gegenwart updaten. Alle Epochen der Menschheit sind zeitgleich präsent und als Gedanken -Steinbruch abrufbar. Damit kann der Einzelne leichter Unabhängigkeit vom sogenannten Zeitgeist gewinnen.

Dem Internet verdanken wir die Wiederherstellung von Freundschaft. Die Moderne hatte mit der Entwurzelung aus traditionellen Lebenskreisen und der wachsenden Mobilität die Freundschaften fürs Leben verunmöglicht. Die meisten Menschen sind ihren Schul- und Jugendfreunden entfremdet. Das Internet aber kann selbst immobile 90- Jährige noch zu einer romantischen Lebensabschnitt-Freundschaft zusammenbringen. Es ist nie zu spät. Und der Draht zu ehemaligen Kollegen reißt dank Netz niemals ab.

Nach der Zeit ist dem Internet auch der Raum zum Opfer gefallen. Ein Facebook-Partner in Erbil ist mir nicht ferner als einer in Görlitz. Mir entgeht im abgelegenen Dorf keine Information. Ich werde die angesagte Party in der Metropole nicht verpassen, sondern mich rechtzeitig auf den Weg machen.

Es gibt keine Langeweile mehr. Ob nervtötende Sitzung oder ausweglose Kommunikationssitution zwischen Menschen, deren Sprache du nicht verstehst – das Smartphone bringt rasche Erlösung. Hier ein lustiges Video, da ein cooler Sinnspruch und Gelegenheit, einen guten Text zu lesen, für den man bisher keine Zeit hatte.

Die Verheißung des papierlosen Büros jedoch erfüllt das Internet nicht. Denn bei langen Texten ermüden die Augen überm Bildschirm schneller, Papier-Lektüre ist entspannender. Aber das Papier muss nicht mehr aufwändig geordnet, abgelegt und dem Verstauben preisgegeben werden. Denn der Text ist ja auf der Wolke leichter zugänglich als all die Regalmeter im Büro.

Last but not least: Mit Ausnahme guter Literatur für Auszeit-Tage zur Burnout- Prävention (die dann auch fünfhundert Seiten umfassen darf) sterben die langen Texte aus. Schon jetzt wird von Online-Zeitungen mit Lesezeit-Minuten geworben. Prägnante Formulierungen, auf den Punkt gebracht, statt des sich im Kreis drehenden Geschwafels. Ein wahrer Segen und ein wunderbarer Fortschritt. In der Politik gewinnt der Aphorismus gegenüber dem Strategiepapier an Bedeutung.

Das spart Zeit – für neue Freunde. 😊

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s